Ich denke zuerst an meine Mutter – Rashidah Hassen

mama hat schon immer gesagt, hier will ich nicht alt werden – nachdem wir
telefonkarten aufgekratzt haben wie rubbellose, gespannt, ob sie ihre eltern
erreicht, dua gemacht, inna lillahi wa inna lillahi raji’un


die fünf cent, matt und warm in kinderhand
wir streiten uns darum, wie man sich
um das letzte schokobon streitet und mühselig durch drei teilt. wenig ist
durch drei teilbar
wenig ist teilbar
wenig ist
mama hat uns gesagt, this land is your land,
aber nicht wie der song, nie, this land is my land,
wir sollten nur nehmen, was uns zusteht


(…)


ich kenne die muttersprache meiner mutter wie die kassetten, die eine
bekannte brachte, in meinem grün weißen kinderschrank
der player hatte graue knöpfe, die schwarze schrift abgeblättert, aber ich trage
wenige worte, da ist eine entfernte melodie mit jedem schritt
Mein bruder, sein bester freund osama, spielen power rangers auf dem
teppichboden
Und ich
merke
Ich fühle nicht für das land der familie meiner eltern
es ist nur das land
es sind nur leute, in
sieben flugstunden
ich lerne hier, anscheinend meinem land, empathie zu rationieren
für das land… reicht es kaum
Das sage ich dir nicht, Mama. Du weißt es schon.


(…)


Rashidah Hassen (2002) studiert in München und schreibt neben Klausuren auch für Poetry Slams. Texte von ihr sind in den Anthologien des Treffens Junger Autorinnen 2018
und der young poems 2020 erschienen.

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