Rassismuskritisches ABC

Durch das Benennen von etwas können wir es gezielt sichtbar machen, es verstehen, darüber reden und verändern.

Gemeinsames Reden setzen ein geteiltes Verständnis über die verwendete Sprache voraus.


Hier findest du eine Auswahl an Begriffen und dahinterstehenden Mechanismen oder Konzepten, die aus unserer Sicht wichtig sind, um Rassismus zu erkennen, verstehen, ansprechen und aufbrechen zu können, egal ob selbst davon betroffen oder nicht. Ein gemeinsames Verständnis über das Thema ist für einen Dialog auf Augenhöhe und rassismuskritisches Denken wichtig.

Es besteht explizit kein Anspruch auf Vollständigkeit. Fehlen dir bestimmte Begriffe in der Liste oder hast du Änderungsvorschläge? Schreib uns gerne an!

Hinweis zur Bedeutung von Sprache und Worten: Sprache ist mächtig! Vor allem für Betroffene besitzen Begrifflichkeiten und Selbstbezeichnungen, aber auch Sprache im Allgemeinen eine große Bedeutung. In einem Diskurs über Rassismus und gesellschaftliche Strukturen spielt Macht eine entscheidende Rolle, die sich nicht nur in ihren Auswirkungen auf unseren Umgang mit dem Thema Rassismus zeigt, sondern auch in der gesellschaftlichen Debatte, wer dort zu Wort kommt und wer nicht. Deshalb hier nochmal ein Hinweis: Überlege zunächst einmal, warum du für die Beschreibung einer Person überhaupt phänotypische Merkmalen wie die Augen-, Haar- oder Hautfarbe bzw. -form mit einbeziehen musst. Denke doch nochmal darüber nach, ob es notwendig ist, dass du die von dir beschriebene Person zu einer Gruppe zuordnen musst, um deine Beschreibung zu vervollständigen. Falls du allerdings zu dem Entschluss kommst, dass es wichtig ist, die Person durch äußerliche Merkmale zu beschreiben und dann einer Personengruppe zuzuordnen, halte dich an die Bezeichnungen, die von den betroffenen Personen als Selbstbezeichnungen gewählt wurden. Wir erheben mit der untenstehenden Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit.


Argumentum ad-hominem

Bei einem „ad hominem“-Argument handelt es sich um ein Scheinargument. Es gebrachte Argument bezieht sich nicht auf den Streitpunkt selbst, sondern auf die Person, mit der gesprochen wird. In den meisten Fällen sind solche Angriffe als unsachlich und unfair anzusehen, da sie als Ablenkungsmanöver oder Delegitimierungsversuche wirken. Im Grunde sind die Mechanismen wie folgt: „Person A hat den Makel/die Eigenschaft B, also sind ihre Argumente falsch“.

Beispiel: „Du kannst als Betroffene von Rassismus doch gar nicht wirklich beurteilen, ob das wirklich rassistisch von mir war.“; „Du bist selbst keine Veganerin, also brauchst du mir auch nicht erklären warum das sinnvoll sein soll.“

Quelle: @mailab (31.10.2018). Die schlechtesten Argumente im Internet, ab Minute 01:29 & Ad Hominem Info, angepasst.

Alltagsrassismus

Bei Alltagsrassismus handelt es sich um eine mehr oder weniger unterschwelligere, oft unbewusste und gesellschaftlich etablierte Form von Rassismus, die häufig von den Verursacher*innen unerkannt oder unreflektiert bleibt. Sie äußert sich nicht in offensichtlich rassistischer direkter (körperlicher oder verbaler) Gewalt an Personen. Alltagsrassistisch sind beispielsweise die Frage nach der vermeintlichen Herkunft, das Kompliment für gute Kenntnisse in der Landessprache, abwertende Blicke im Bus oder diskriminierende Darstellungen in Büchern, Zeitungen und Filmen. All diesen Beispiele gemein sind die – bewusste oder unbewusste – Wahrnehmung des Gegenübers als „anders“, „fremd“, „unnormal“ oder „auffällig“ sowie die damit einhergehende Notwendigkeit der Einordnung von Menschen in bestimmte Schubladen (siehe Othering). Damit entscheidet die Mehrheitsgesellschaft, was normal ist und was nicht und hält somit eine historisch gewachsene, (weiße) Normalität aufrecht.

Quelle: Nguyen, Toan Quoc (06.11.2014). „Offensichtlich und zugedeckt“ – Alltagsrassismus in Deutschland. Bundeszentrale für politische Bildung, angepasst.

Ally / Verbündete*r

Ein:e Ally oder Verbündete:r ist eine Person, die nicht zu einer diskriminierten Gruppe gehört, sich aber aktiv für diese Gruppen einsetzt. Sie reflektiert die eigenen Privilegien, die sie in der Gesellschaft hat. Dazu gehört, sich solidarisch mit Betroffenen zu zeigen, ihnen zuzuhören und sie aktiv vor Diskriminierung zu schützen, wenn die betroffenen Personen das möchten.

Quelle: @saymyname_bpb Beitrag vom 23.01.2020, angepasst.

BIPoC / PoC

BIPoC ist die Kurzform für „Black or Indigenous People of Color“ bzw. „Schwarze oder Indigene Menschen of Color“.

„PoC“ bzw. Person of Color ist ein selbst gewählter, politischer und solidarischer Sammelbegriff von verschiedensten Menschen, die sich als nicht-weiß definieren. Es geht dabei nicht verkürzt um Hautfarben, sondern um Rassismuserfahrungen, Ausgrenzungserfahrungen und die ständige Zuweisung des „Andersseins“.

Indigene Menschen sind die Nachfahren der Erstbesiedler:innen einer Region. Im geschichtlichen Verlauf wurden sie von anderen Völkern kolonialisiert und oft aus ihrem Gebiet vertrieben. Noch heute sind sie häufig politisch, wirtschaftlich und sozial benachteiligt.

Der Begriff BIPoC wird genutzt, wenn von Menschen gesprochen wird, die von Rassismus betroffen sind. Es ist wichtig Schwarze (siehe auch: Schwarz) und Indigene Menschen extra zu erwähnen und nicht nur mit dem Begriff PoC mitzumeinen, da sie aufgrund der weltweiten Kolonialgeschichte oft andere Rassismuserfahrungen machen als andere PoC.

Quelle: @saymyname_bpb Beitrag vom 10.12.2019 und 28.11.2019, angepasst.

Color Ignorance / „Farbignoranz“

„Color Ignorance“ bzw. „Farbenignoranz“ oder auch „Color Evasiveness“ beschreibt die Einstellung einer Person, dass diese in ihrem Denken und Handeln die Hautfarbe ihres Gegenübers nicht beachtet oder als unwichtig einstuft. Sie beruft sich darauf, dass alle Menschen gleich seien und/oder die gleichen Probleme oder Bedürfnisse haben. Auch wenn diese Einstellung auf den ersten Blick nobel klingt, birgt sie Gefahren. In einer idealen Welt spielen Kategorien wie Hautfarbe, Geschlecht, sexuelle Orientierung oder körperliche Behinderungen keine Rolle. In der realen Welt prägen Kategorien wie diese jedoch die Realitäten der Menschen gravierend. Von der Hautfarbe hängt u. a. ab, wie sicher sich Menschen an bestimmten Orten fühlen, wie gut ihre Chancen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt aussehen, wie andere Menschen sie ansehen, wie oft sie an Grenzen kontrolliert werden oder wie gut die Noten in der Schule sein werden.
Wenn ein Mensch nun behauptet nicht in Hautfarben zu unterschieden oder diese als unwichtig erachtet, spricht sie den von Rassismus Betroffenen ihre Realitäten und Erfahrungen ab. Mögliche Folgen davon sind ein fehlendes Vertrauen in die Person und ihre Handlungskompetenz (z.B. als Erzieher:in) sowie ein erschwerter bzw. unmöglicher Diskurs über Rassismus aufgrund der fehlenden Anerkennung unterschiedlicher Lebensrealitäten.

Quelle: @tupoka.o Beitrag vom 15.05.2020, angepasst.

Colorism

Colorism bedeutet in etwa eine „ungleiche Behandlung aufgrund von Hautfarbe zwischen gleich-rassifizierten Menschen“. Colorism ist eine Form von Diskriminierung, bei der Menschen derselben “Race” unterschiedlich behandelt werden. Dabei werden Personen bevorzugt, deren Aussehen sich dem weißen Schönheitsideal stärker annähert. Wenn beispielsweise eine Organisation sich weigert, Menschen mit schwarzer Hautfarbe einzustellen, dann wäre das Rassismus. Beim Colorism wäre es so, dass Schwarze Menschen generell eingestellt werden würden, aber die Organisation würde diejenigen mit hellerem Hautton vor jenen mit dunklerem Hautton bevorzugen. Die Konsequenz ist, dass BIPoC mit hellerer Hautfarbe sozial und wirtschaftlich bevorteilt werden.

Colorism ist nicht gleichzusetzen mit Rassismus, es ist jedoch eine Konsequenz und ein Teil dessen. Weil ein hellerer Phänotyp mit eher positiven Attributen verknüpft ist, sind menschliche Hierarchien entstanden, die auch innerhalb der betroffenen Communities mit aufgenommen wurden, was ebenfalls zur Verstetigung dieser Praxis beiträgt (“perpetuation”).

Quellen:
https://rosa-mag.de/rosapedia-was-bedeutet-colorism/
https://www.urbandictionary.com/define.php?term=Colorism
Vgl. Robert L. Reece, What Are You Mixed With: The Effect of Multiracial Identification on Perceived Attractiveness, in: The Review of Black Political Economy 2/2016, S. 139–147.
Vgl. Bim Adewunmi, Racism and Skin Colour: The Many Shades of Prejudice, 4.10.2011, http://www.theguardian.com/world/2011/oct/04/racism-skin-colour-shades-prejudice«.
Vgl. Robert L. Reece, The Gender of Colorism: Understanding the Intersection of Skin Tone and Gender Inequality, 11.3.2020, https://doi.org/10.1007/s41996-020-00054-1« .

Cultural Appropriation
(Kulturelle Aneignung)

Definition folgt.

Derailing

Bei Derailing (zu deutsch: „Entgleisen“) handelt es sich um ein Abschweifen einer Diskussion oder das (gezielte) Umlenken einer Diskussion auf ein anderes Thema. Damit wird der Fokus vom Kernthema weggenommen und ein tiefergehendes Gespräch verhindert (siehe auch: argumentum ad hominem & whataboutism). Anstatt sich mit dem eigentlichen Thema zu befassen, beispielsweise dem Benennen einer rassistisch empfundenen Situation, wird das Gespräch auf verschiedenste Weise umgelenkt. Anstelle die konkrete Rassismuserfahrung zu thematisieren wird beispielsweise darüber geredet, warum das Gegenüber sich durch den Vorwurf verletzt fühlt. Genau so kann es aber auch sein, dass hinterfragt wird, ob die Person überhaupt kompetent, fähig oder unabhängig genug ist, um diese „Behauptung“ aufstellen zu können.

Quelle: www.derailingfueranfaenger.wordpress.com (Sammlung und Dekonstruktion an gängigen Derailing-Aussagen), angepasst.

Fremdbezeichnung

Wie das Wort bereits sagt, sind damit Bezeichnungen, „ein (oder mehrere) Namen [gemeint], den die Mehrheitsgesellschaft benutzt, um über die marginalisierte Gruppe zu sprechen: das ist die Zuschreibung. [..] Die Zuschreibung [..] macht die marginalisierte Gruppe zu Anderen.“ Die Zuschreibungen, die von der Mehrheitsgesellschaft verwendet werden, haben ihre sprachlichen Ursprünge dabei oft in einer kolonial-rassistisch geprägten Geschichte. Umso wichtiger ist es, die selbstgewählten Bezeichnungen der marginalisierten Gruppen zu verwenden und so die Machtdynamik nicht in ein Unterdrückende-Unterdrückte-Schema zu leiten.

Intersektionalität

Der Begriff Intersektionalität (deutsch: „Kreuzung, Schnittpunkt“) beschreibt die Analyse des Zusammenwirkens unterschiedlicher Formen und Dimensionen von Ungleichheit, Differenz und Herrschaft. Diese basieren beispielsweise auf Kategorien wie Geschlecht, Hautfarbe, Nationalität, Sexualität, körperliche Beeinträchtigungen oder die soziale Schicht der Person. Eine Person kann zum Beispiel gleichzeitig Opfer von Rassismus aufgrund der Hautfarbe sein als auch von Sexismus aufgrund des Geschlechts.
Intersektionalität besagt, dass die unterschiedlichen Diskriminierungskategorien sich nicht einfach addieren, sondern vielmehr miteinander verwoben sind, sich gegenseitig beeinflussen, verstärken oder abschwächen. Intersektionalitätsforschung untersucht, wann welche Kategorien in welcher Form bedeutsam werden, wie sie berücksichtigt werden können und hinterfragt die soziale Konstruktionen der Kategorien.

Quelle: Universität Bielefeld & Gunda Werner Institut, angepasst.

Konstruktivismus

Der Konstruktivismus ist eine philosophische Denkschule, die der Erkenntnistheorie zugeordnet wird. Wie alle Erkenntnistheorien beschäftigt sich der Konstruktivismus mit den Fragen, was Wissen ist, wie wir Dinge erkennen, Wissen/Erkenntnis erlangen und durch welchen Prozess das möglich ist. Im Konstruktivismus wird dabei der Sprache viel Bedeutung beigemessen. Durch das Benennen von unserer Umwelt und Dingen werden wir uns derer erst bewusst, erkennen sie. Sprache ist somit ein konstruierendes Element. Indem ich etwas mit einem spezifischen Begriff benenne, schaffe ich mit diesem Begriff eine Wirklichkeit und die benannte Sache erfährt durch die begriffliche Auslegung ihre Grenzen. In der rassismuskritischen Arbeit hat die Theorie des Konstruktivismus deshalb große Beliebtheit erlangt, da hier Sprache als Werkzeug erklärt wird, das nicht nur Bewusstsein schafft, sondern durch Umbenennung Machtdynamiken umkehren kann.

Mikroaggressionen / Mikrotrigger

Definition folgt.

Multikollektivität

Bei Multikollektivität handelt es sich um ein Konzept, welches davon ausgeht, dass sich die Identität eines Menschen durch die Zugehörigkeit zu mehreren Kollektiven bildet. Mit Kollektiven sind soziale Gruppen gemeint, denen sich eine Person zugehörig fühlt. Hierbei sind nicht nur Nationen gemeint, sondern auch Geschlechter, politische Orientierungen, Familien, Religionen, soziale Schichten, Berufsgruppen u. v. m.

Im Kontext von BIPoC widerspricht das Konzept der Multikollektivität insbesondere veralteten Kulturkonzepten, die besagen, dass ein Mensch vor allem durch sein „Herkunftsland“ bzw. dessen zugeschriebene Kultur geprägt ist. Insbesondere BIPoC werden hierbei häufig auf ihr tatsächliches oder vermeintliches Herkunftsland reduziert und ihre andere Zugehörigkeiten ausgeklammert. Auch stehen sie vor dem möglichen Konflikt, sich zwischen den Länderkollektiven entscheiden zu müssen. „Bin ich jetzt Deutsch? Oder bin ich Vietnamesisch/Türkisch/Tunesisch/…?“. Multikollektivität besagt, dass ich mich nicht entscheiden muss, da ich Teil all dieser Kollektive gleichzeitig sein kann.

Quelle: Rathje, Stefanie (2014). Multikollektivität. Schlüsselbegriff der modernen Kulturwissenschaften, in: Stephan Wolting: Kultur und Kollektiv. Festschrift für Klaus P. Hansen. S. 39-60, Berlin.

Othering

Othering („Fremd-machung“, „VerAnderung“) beschreibt den Prozess, wenn eine Person oder eine Gruppe aufgrund bestimmter tatsächlicher oder vermeintlicher Merkmale als „fremd“ oder „anders“ in Abgenzung zu sich selbst und der eigenen Gruppe wahrgenommen wird („Wir“ vs. „Sie/Die“). Im Prozess des Otherings werden unterschiedliche „Rassen“, „Kulturen“, „Ethnien“ oder „Religionen“ definiert, voneinander abgegrenzt und deren Verhältnis untereinander bestimmt. Dieses Verhältnis ist von Macht geprägt. Der Otheringprozess dient dazu, eine eigene Identität herauszubilden und eigene Privilegien zu legitimieren. Je nachdem welcher Gruppe eine Person zugehörig scheint, besitzt diese eine andere Position, andere Privilegien, andere Rechte und Freiheiten und auch eine andere Ausgangslange für Diskriminierung. In dem Prozess profitieren diejenigen, die zu der überlegenen Gruppe dazugehören und unmarkiert bzw. „normal“ bleiben. Die „Anderen“ können in Abgrenzung zu ihnen als rückständig, unzivilisiert, asozial, integrationsunwillig, kriminell, aber auch gehörig und exotisch, laut oder besonders freundlich bezeichnet und behandelt werden. Auf Basis von Othering können unter anderem Feindbilder entstehen und Diskriminierung befeuert werden.

Quelle: Attia, Iman (18.03.2014): „Rassismus (nicht) beim Namen nennen“, Bundeszentrale für politische Bildung, angepasst.

Positiver Rassismus

Definition folgt.

Racial Gaslighting

Bei Racial Gaslighting handelt es sich um ein manipulatives und psychisch missbräuchliches Verhalten speziell im Zusammenhang mit Rassismus. Zweck ist es, die Rassismuserfahrung von Betroffenen abzusprechen, kleinzureden oder zu verschleiern. Es entsteht oft, wenn ein Opfer dazu gebracht wird, an dem eigenen Realitätssinn in Bezug auf Rassismus zu zweifeln und ihn infrage zu stellen. Durch das Aberkennen von Rassismuserfahrungen müssen sich Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind, nicht der Verantwortung stellen oder sich aufgrund ihrer Privilegien schuldig fühlen. Übliche Mechanismen sind: (1) Erinnerungen verzerren, (2) dem Gegenüber Schuldgefühle einreden Rassismus selbst zugelassen zu haben, (2) Rassismus verleugnen und nicht anerkennen, (3) Verständnis vorenthalten, (4) Irrationalität einreden.
Beispiele: „Bist du sicher, dass das so passiert ist?“, „Du übertreibst!“, „Ich fand das jetzt nicht so schlimm.“, „Darin sehe ich nun wirklich nichts Rassistisches.“

Quelle: www.rosa-mag.de, angepasst.

Rassismus

Es gibt keine allgemein akzeptierte Definition von Rassismus. Allgemein gesagt ist Rassismus die Verknüpfung von Vorurteil mit institutioneller Macht. Es ist eine Ideologie der Ungleichheit, basierend auf spezifischen Vorurteilen und Klischees. Der Begriff Rassismus steht allgemein für Auffassungen, die von dem Bestehen nicht oder kaum veränderbarer „Rassen“, „Kulturen“ bzw. Menschengruppen ausgehen. Daraus abgeleitet werden natur-/kulturbedingte Besonderheiten und Verhaltensweisen der Menschengruppen, die wiederum als „höherwertig“ oder „minderwertig“ bewertet werden.

Biologischer Rassismus: Das klassische, ursprüngliche Konzept stammt aus der Epoche des europäischen Kolonialismus und Imperialismus bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf basis pseudo-biologischer Merkmale, primär der Hautfarbe, wurden „Rassen“ bzw. Menschengruppen definiert und voneinander abgegrenzt (siehe Othering). Die gleichzeitige Hierarchisierung der Menschengruppen diente zur Rechfertigung des Kolonialismus, der Sklaverei, der Verbrechen der Nazis und des Apartheidregimes.

Kultureller Rassismus: Neuere Konzepte von Rassismus umfassen Konstruktionen von Menschengruppen als Abstammungs- und Herkunftsgemeinschaften, denen kollektive Merkmale zugeschrieben werden. Statt Menschengruppen auf Basis von pseudo-biologischen oder genetischen Unterschieden auseinanderzuhalten, passiert dies nun auf Basis von tatsächlichen oder zugeschriebenen kulturellen Unterschieden – die Mechanismen und Wirkungsweisen von Rassismus bleiben dabei die gleichen. Kultureller Rassismus behauptet, dass die definierten Menschengruppen eine quasi homogene Kultur hätten, die ein Individuum maßgeblich bestimmen und prägen. Darauf basierend geht der kulturelle Rassismus von einer Unvereinbarkeit der unterschiedlichen Kulturen aus.

Institutioneller/Struktureller Rassismus: Diese Form von Rassismus beruht auf der Ausgrenzung, Benachteiligung oder Herabsetzung von Menschen, welche in den Strukturen öffentlicher und privater Insitutionen verankert ist – beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt, der Bildung oder dem Wohnungsmarkt oder bei Polizeikontrollen („Racial Profiling“). Diese Strukturen haben sich aufgrund historischer und gesellschaftlicher Macht- und Gewaltverhältnisse entwickelt und sind im ökonomischen, kulturellen und politischen Aufbau einer Gesellschaft und deren Institutionen manifestiert bzw. institutionalisiert (= verfestigt).

Quelle:
Auma, Maureen Maisha (30.11.2017). „Rassismus“, Bundeszentrale für politische Bildung
@erklärmirmal Beitrag vom 08.06.2020, angepasst.
humanrights.ch: „Was ist Rassismus? – Definitionen“, angepasst.
Gensing, Patrick (31.03.2018). „Was ist Rassismus?“ auf tagesschau.de, angepasst.
Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat, angepasst.
Odoi, Nana (10.08.2004). „Die Farbe der Gerechtigkeit ist weiß“, Bundeszentrale für politische Bildung, angepasst.

Schwarz

„Die politisch korrekte und vor allem selbstgewählte Bezeichnung für Schwarze Menschen. Schwarz zu sein ist keine Eigenschaft, sondern eine gesellschaftspolitische Position. Die Selbstbenennung Schwarz markiert bestimmte Lebensrealitäten in einer weiß-dominierten Gesellschaft.“ Dabei ist es wichtig bei der Schreibweiße „Schwarz“ mit einem großen S zu schreiben, da gerade nicht Merkmale wie Hautfarbe entscheidend sind, sondern eine bestimmte soziale Position damit dargestellt wird. „Black“ ist dabei die englischsprachige Bezeichnung für Menschen mit oft afrikanischer oder afro-diasporischer Herkunft. Die Selbstbezeichnung „Schwarz“ oder „Black“ ist dabei deshalb auch empowernd, weil sie von der betreffenden Community selber gewählt wurde und sich bewusst von kolonial geprägten und rassistischen Fremdbezeichnungen abgrenzt.

Quelle:
Sow, Noah (2011): Rassismus. In: Wie Rassismus aus Wrtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus, Wissensarchiv deutsche Sprache, S.37. @erklärmirmal Beitrag vom 11.06.2020, angepasst.

Selbstbezeichnung

Selbstzeichnungen sind jene Begriffe, die Menschen für sich selbst zur Identifikation und Bezeichnung gewählt haben (siehe in Abgrenzung dazu: Fremdbezeichnung). Im deutschen rassismuskritischen Kontext sind beispielsweise die Begriffe „Schwarz“ mit großem S, „People of Color“ und „afrodeutsch“ (politische) Selbstbezeichnungen. Sie sind eine Form des Widerstandes und der Ermächtigung, die es den Betroffenen von Rassismus ermöglichen, über ihre Erfahrungen zu reden, ohne Wörter des bestehenden rassistisch funktionierenden Systems benutzen und reproduzieren zu müssen. Des Weiteren können sie ein positives Wir-Gefühl für die Personen vermitteln.

Quelle: Koku Musebeni im Interview mit Tupoka Ogette (12.09.2019). „Wie wir Rassismus in der Sprache verhindern“, angepasst.

Stereotype

Stereotype sind Zuschreibungen von Merkmalen zu einer Person und können sowohl negativ als auch positiv sein. Die Zuschreibungen basieren auf einfachen Kategorisierungen, zum Beispiel dem Geschlecht, der Hautfarbe, der Körpergröße oder der Religionszugehörigkeit. Diese Kategoriserungen vereinfachen Informationen und werden oft ganz unbewust aktiviert und ausgedrückt.

Stereotype können sowohl auf tatsächlich vorhandenen als auch auf wahrgenommenen oder zugeschriebenen Merkmalen oder Zugehörigkeiten einer Person oder Gruppe basieren.

Quelle: @saymyname_bpb Beitrag vom 15.09.2020, angepasst.

Stereotype Threat

Definition folgt.

Strukturalismus

Bei Strukturalismus handelt es sich um eine philosophische Herangehensweise bzw. Grundannahme (ursprünglich aus den Sprachwissenschaften), die davon ausgeht, dass es Strukturen und Zwänge in der Welt gibt, die Einfluss auf die Menschen innerhalb des Systems ausüben. Die Strukturen können sichtbar sein, z.B. in der Infrastruktur einer Stadt. Gleichermaßen können auch gesellschaftlich etablierte Arten des Handelns oder Denkens den Menschen im System prägen. Auch Sprache stellt eine zentrale Struktur innerhalb des Systems dar und prägt die Art wie Menschen denken oder sich ausdrücken können.

Quelle: spektrum.de: „Strukturalismus“, angepasst.

Täter:in-Opfer-Umkehr

Täter:in-Opfer-Umkehr oder auch Opferbeschuldigung oder im Englischen „victim blaming ist die Beschreibung für ein Vorgehen, das die Schuld für einen Übergriff beim Opfer selbst sucht. Häufig geschieht dies im Kontext von sexuellen Übergriffen. Auch im rassismuskritischen Kontext kann die Schuld für einen rassistischen Übergriff auf das Opfer verschoben werden, wenn zum Beispiel gesagt wird, dass das Opfer zu sensibel reagiert habe oder die Situation erst hat eskalieren lassen o.ä.

Quelle: wikipedia.de „Victim Blaming“, angepasst.

Token / Tokenism

Tokenism leitet sich von dem englischen Begriff „token“ ab und bedeutet allgemein „Zeichen“ oder „symbolische Geste“. Eine vergleichbare deutsche Bezeichnung für den Begriff gibt es nicht wirklich. Begriffe wie „Quoten-Schwarze:r“ oder „Vorzeige-Frau“ kommen der Bedeutung am nächsten. Es geht bei Tokenism weniger um das Individuum, sondern vielmehr darum, eine Kategorie zu repräsentieren und auf diese reduziert zu werden. Ziel ist es, mögliche Kritik an diskriminierenden und rassistischen Strukturen innerhalb des Unternehmens abzuwenden. Das heißt, Tokens werden instrumentalisiert und fungieren eher nur als „Vorzeige-Objekte“ und haben kaum Aufstiegschancen. Tokenism lässt sich u. a. auf das Geschlecht, die Hautfarbe, die religiöse Zugehörigkeit, ethnische Minderheiten oder Sexualität anwenden. Es handelt sich also um Gruppen, die von der Gesellschaft marginalisiert bzw. ausgegrenzt werden. Es ist nicht nur im Unternehmenskontext, sondern auch in alltäglichen Diskussionen und Gesprächen zu finden. In Diskussionen rund um Rassismus kann es zum Beispiel passieren, dass die beschuldigte Person behauptet sie könne nicht rassistisch sein, da sie selbst ein:e Freund:in of Color hat.

Quelle: @saymyname_bpb Beitrag vom 25.06.2020, angepasst.

Tone Policing

Definition folgt.

weiß

Mit der Bezeichnung „weiß“ soll eine gesellschaftspolitische Norm und Machtposition von Menschen, die sich nicht als BIPoC identifizieren beschrieben werden. Dieser Begriff wird als Gegensatz zu BIPoC oder PoC verwendet. Da es bei der Bezeichnung nicht um die Hautfarbe geht (siehe Schwarz) wird der Begriff auch häufig kursiv geschrieben. Gleichzeitig müssen sich weiße Menschen nicht selbst als weiß oder privilegiert fühlen.

Quelle: @erklaermirmal Beitrag vom 11.06.2020, angepasst.

Whataboutism

Der Begriff setzt sich zusammen aus dem englischen „What about…?“ („Aber was ist mit…?“) und der Endung -ism (-ismus). Whataboutism lässt sich allgemein als ablenkende Gesprächstechnik bezeichnen. Häufig anzutreffen ist diese in emotional aufgeladenen Diskussionen in sozialen Netzwerken und in der Politik. Dabei werden in einer Diskussion Gegenargumente angebracht, die keinerlei Bezug zu dem eigentlichen Thema haben. Die Ansprache eines Problems oder ein Vorwurf wird also mit einem Gegenvorwurf beantwortet, statt sich tatsächlich mit dem Inhalt zu befassen. Die „Gegenargumente“ müssen dabei nicht grundsätzlich falsch sein, aber sie verlagern den Fokus. Eine tiefergehende Diskussion ist so nicht möglich.
Beispiel: Wenn über die Notwendigkeit von angemessenen Wohnungen für Menschen mit Fluchtgeschichte diskutiert wird, wirft eine Person ein: „Wir haben hier in Deutschland schon genug Obdachlose, warum kümmern wir uns nicht um die?“.

Quelle: @saymyname_bpb Beitrag vom 10.06.2020, angepasst.

White Fragility

Der Begriff White Fragility kommt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt „Weiße Fragilität“ bzw. „Weiße Zerbrechlichkeit“. Sie beschreibt eine bestimmte Reaktion weißer Menschen auf Debatten über Rassismus oder die eigenen Privilegien. Die Reaktion äußert sich meist darin, dass die Personen abblocken, sehr emotional werden (oft wütend oder ängstlich), Rassismuserfahrungen von BIPoC relativieren oder versuchen, die Situation so schnell wie möglich zu verlassen, die sie als unangenehm oder untererträglich wahrnehmen. Da weiße Menschen in den seltensten Fällen mit dem eigenen Rassismus konfrontiert werden oder auf ihre Hautfarbe reduziert werden, kommt es zu dieser ablehnenden Haltung. Doch diese Reaktion erhält den rassistischen Status quo aufrecht. Denn die Ablehnung führt dazu, dass BIPoC aufhören, ihre Erfahrungen mit Rassismus mitzuteilen, weil sie befürchten, dafür angegriffen zu werden. Außerdem führt die emotionale Reaktion dazu, dass sich der Fokus der Debatte verschiebt. Es geht nicht mehr um die Rassismuserfahrungen von Betroffenen, sondern um die Gefühle der Nicht-Betroffenen.

Quelle: @saymyname_bpb Beitrag vom 15.07.2020, angepasst.

White Gaze

Der Begriff „white gaze“ (deutsch „weißer Blick“) beschreibt das Phänomen, das auftritt, wenn geschaffene Kunst und Kultur von Menschen, die sich als BIPoC identifizieren, in einem weißen Ethnozentrismus bewertet wird. Weißsein wird als der Standard, als normal oder der Maßstab angesehen. Alles, was dem nicht entspricht, ist nicht gut, falsch, nicht schön oder anders. So wird in Büchern, wenn die Hautfarbe des Charakters nicht weiter thematisiert wird beispielsweise angenommen, dass diese Person weiß ist. Bei Buntstiften ist „Hautfarbe“ derweil als heller beiger Ton etabliert. In rassismuskritischer Arbeit ist es notwendig, sich diesen einseitigen Normen und Perspektiven bewusst zu werden und zu dekonstruieren.

Quelle: Rosa-mag.de

White Passing

Der Begriff „passing“ leitet sich von dem englischen „to pass as“ ab und bedeutet „als … durchgehen“. Beim Passing wird die soziale Identität einer Person von Außenstehenden oft nicht erkannt. Somit ist die Person häufig nicht den mit dieser Identität verbundenen gesellschaftlichen Erwartungen, Nachteilen und Diskriminierungen ausgesetzt. Das bezieht sich zum Beispiel auf das Geschlecht, die Hautfarbe oder die sexuelle Orientierung. Beim „white passing“ wird eine Person of Color mit heller Haut oft bzw. immer von anderen als weiß wahrgenommen und kann dadurch in bestimmten Situationen die Privilegien einer weißen Person besitzen. PoC mit hellerer Haut müssen sich seltener für ihre Existenz rechtfertigen und werden weniger häufig Opfer von Racial Profiling. Trotz dessen, dass die Person in gewissen Situationen äußerlich als weiß wahrgenommen wird, besitzt sie nicht alle Privilegien einer weißen Person. Sie kann beispielsweise durch einen auffälligen Namen oder ihre Sprachkenntnisse weiterhin diskriminiert werden. Durch white passing und den damit einhergehenden Privilegien wird ein System unterstützt, in dem weiße Menschen mehr Privilegien besitzen als BIPoC.

Quelle: @saymyname_bpb Beitrag vom 14.07.2020, angepasst.

White Supremacy

„White supremacy“ oder im deutschen auch „weiße Vorherrschaft“ bezeichnet den Glauben oder die Überzeugung an die Überlegenheit weißer Menschen. Dieses Glaubenssystem basiert auf einem rassistischen Menschenbild und der rassistischen, biologisch nicht begründbaren Ideologie der Rassenlehre unter den Menschen. Unter „white supremacy“ werden dabei diverse rassistischen Ideologien zusammengefasst, die aber alle davon ausgehen, dass es eine sogenannte natürliche Überlegenheit und somit auch ein Anrecht auf gewisse Privilegien von weißen Menschen gibt.